
Slow Blogging – der neue Blogger-Trend?
Die Blogosphäre verändert sich gerade. Ich hatte es ja neulich bereits in meinem Beitrag Wenn dich das Bloggen unter Druck setzt. angesprochen – und es ist Wahnsinn, wie oft der Artikel inzwischen geteilt wurde und auf wie vielen Blogs sich ähnliche Stimmen melden.
Blogger, die bewusst einen Gang zurückschalten und sich dem Hamsterrad entziehen.
In der Zwischenzeit habe ich ein bisschen weiter recherchiert, auch und gerade in der US-amerikanischen Blogosphäre, die uns in Sachen Trends ja gefühlt immer einen halben Schritt voraus ist.
Und tatsächlich – auch dort ist das ein Thema. Sogar ein Schlagwort gibt es dafür: Slow Blogging Movement.
Todd Sieling und sein Slow Blog Manifesto
Geprägt hat den Begriff wohl Todd Sieling, ein Software Product Designer aus Vancouver – und das bemerkenswerterweise bereits im Jahr 2006. Zu einem Zeitpunkt also, als die Blogosphäre noch weit entfernt war von ihrer heutigen Komplexität, als es noch deutlicher weniger Blogger gab und demzufolge natürlich auch weniger „Konkurrenz“.
Damals startete Todd sein Slow Blog (dessen letzter Artikel bezeichnenderweise aus dem Jahr 2011 stammt 🙂 ) und erklärte:
Slow Blog is about only writing when it feels right. The pressure to produce content in order to participate in an ever faster-moving web is considerable; this blog is a response to that tendency, a structural buffer against the pressure.
Klingt tagesaktuell, was?
Ausführlicher formulierte er seinen Ansatz in einem Manifest und lud andere Blogger dazu ein, ihr eigenes Slow Blogging-Manifest zu schreiben. Allzu große Wellen hat das damals allerdings nicht geschlagen.
Das Revival des Slow Blogging
In den letzten Jahren sah die Entwicklung innerhalb der Bloggerszene stattdessen ganz anders aus: immer besser, immer professioneller, immer mehr.
Kommerzialisierung ist in den Vordergrund gerückt – kaum noch ein Blogger, der nicht zumindest mal eine kleine Kooperation mit irgendeinem Unternehmen eingegangen wäre, und auf die Klicks und Hits schielen wir doch alle. Ein Mediakit gehört zum Blog wie das Zähneputzen zur Abendroutine, und Redaktionspläne sind längst nicht mehr nur etwas für große Magazine.
Immer besser, immer mehr. Es ist ja auch einfach verführerisch, da ständig mitzugehen, dabei zu sein, immer live und vorne weg, jedes Like eine kleine Selbstbestätigung. Und besser geht schließlich immer.
… trotzdem das ständige schlechte Gewissen, nicht genug zu tun, faul zu sein, etwas zu verpassen.
Kein Wunder, dass das nicht ewig so weitergehen konnte. So eine Schlagzahl hält man nicht unbegrenzt durch – vor allem, weil das Bloggen in den allermeisten Fällen ja eigentlich ein Hobby ist und noch zusätzlich zum Studium oder Job durchgezogen wird.
Bezeichnenderweise bringt es das Schlagwort „Blogger Burnout“ in der Google-Suche schon auf passable 42.300 Treffer.
Also, was tun?
Man bloggt weniger. Die Frage ist nur: nimmt man das als Kapitulation wahr, als persönliches Versagen? Oder ist es eine bewusste Entscheidung?
Letzteres findet tatsächlich immer mehr Anklang. Nicht von ungefähr haben Artikel zum Thema Digital Detox Hochkonjunktur – der Internet-Entzug als Selbstexperiment. Absichtlich weniger online sein, Offlinesein als Quality Time.
Ein sehr interessanter Beitrag darüber, wie es ist – oder wäre -, nicht mehr dauernd halb unbewusst das Smartphone zur Hand zu nehmen, findet sich übrigens im Zeit-Magazin: Zurück in die Gegenwart.
Auch Angela von the3rdvoice hat kürzlich über zwei Wochen ohne Smartphone geschrieben (Update vom Januar 2019: der Blog ist mittlerweile leider offline).
Aber zurück zu den Blogs.
In den letzten Wochen posten immer mehr Blogger, künftig einen Gang zurückschalten zu wollen – und / oder das Lenkrad in eine andere Richtung einzuschlagen. Weniger Kooperationen, wieder mehr persönliche Inhalte.
Leeri Leopard machte sich dieser Tage auch so ihre Gedanken über das Bloggen und hat das verdammt treffend formuliert (Update vom Januar 2019: der Blog ist mittlerweile leider offline)
Denn genau das ist es, was viele Blogs sind – die perfekt durchdachten gefühllosen Verkaufsapparate, mit catchy Schlagzeilen, perfekt gesetzten SEO-Schlagworten, Newslettern und „Folge mir jetzt sofort, HIER KLICK FOLGE MIR!“-Pop-ups. […] Ein wenig wie die Aufteilung eines Supermarktes oder die Werbung im Fernsehen – einfach kalt durchdachte Manipulation. Das traurige ist ja, dass es funktioniert, ob nun Fernsehwerbung oder Blog oder die Süßigkeiten, die wir an der Kasse mitnehmen, aber insgeheim hassen wir es, wenn schon wieder die gleiche nervige Werbung kommt. Denkt mal darüber nach… eigentlich ist es ganz schön abartig.
Weg davon.
Es liest sich wie ein erleichtertes Aufatmen, wie die Lizenz zum Schuleschwänzen.
Was Slow Blogging ist – und was nicht
Aber was genau meint „Slow Blogging“ denn nun eigentlich?
Es gibt keine „offizielle“ Definition, wie genau Slow Blogging aussieht.
Basierend auf dem Grundgedanken, dass weniger manchmal mehr ist, kann das jeder für sich selber auslegen. Es gibt also keine Beschränkung, wie viele Beiträge du maximal pro Woche veröffentlichen darfst. 😉
Ebenso heißt es nicht, dass du SEO ab sofort verteufeln musst, keine Kooperationen mehr eingehen solltest und die facebook-Fanseite deines Blogs am besten sofort löschst. Nein.
So wie ich das Slow Blogging verstehe, geht es darum, für dich persönlich herauszufinden, wie das Bloggen wieder zu einem unbeschwerten Hobby wird, ohne Druck und Zwang. Wenn Suchmaschinenoptimierung für dich immer ein Buch mit sieben Siegeln war, das du am liebsten ignorieret hättest – dann tu genau das und fokussiere dich lieber auf das Schreiben selber. Aber wenn dir SEO Spaß macht und das Bloggen für dich dadurch spannender wird, dann steht dem natürlich nichts im Wege.
Ebenso können Kooperationen zwischen Bloggern und Unternehmen für alle Seiten eine tolle Sache sein – und solange du nicht in einer Flut aus Deadlines untergehst oder das Gefühl hast, die Seele deines Blogs zu verkaufen, spricht nichts dagegen.
Ich habe den Eindruck, dass innerhalb des Slow Blogging Movements zwei verschiedene Strömungen entstehen:
- Seltener veröffentlichen
- Fokus auf privates Bloggen
Beiden gemeinsam ist, dass man raus will aus dem hausgemachten Hamsterrad; bewusst innehält, reflektiert, vielleicht neue Prioritäten setzt.
1) Weniger bloggen
Seltener neue Beiträge zu posten, entspricht dem Grundgedanken des Slow Bloggings.
Etwas einfach um der Sache selber willen zu genießen, ohne in Gedanken schon an einem Artikel herumzuformulieren. Sich nicht dem Druck aussetzen, bis allerspätestens übermorgen über ein Event berichten zu müssen, weil es sonst ja nicht mehr aktuell ist und keinen mehr interessiert.
Janneke von Blog your Thing schrieb darüber neulich unter dem Motto Warum du nicht (noch) öfter bloggen solltest ein Plädoyer für das Slow Blogging – Quantität statt Qualität, lieber seltener bloggen, dafür dann aber längere und tiefgehendere Artikel.
Grundsätzlich stimme ich dem zu. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass auf die Schnelle rausgehauene kurze Artikel das Problem der hiesigen Blogosphäre waren / sind. Im Gegenteil, da fliegen mir förmlich im Sekundentakt lauter wirklich gut recherchierte und umfassende Posts im Feedreader entgegen.
Ich sehe die Schwierigkeit vielmehr darin, wie viel Stress das für die einzelnen Blogger bedeutet, diese Schlagzahl auf diesem Niveau dauerhaft mitgehen zu können.
2) Fokus auf privates Bloggen
Verwandt mit der ersten Strömung, aber doch nochmal eigenständig: insbesondere hierzulande scheint der Trend wieder hin zu privateren Blogs zu gehen. Persönlicher, weniger austauschbar.
Ich finde diese neue Entwicklung extrem spannend und bin neugierig, wie sich die Blogosphäre dadurch verändert!
Sicherlich werden sich dem nicht alle Blogs anschließen – und das ist auch gut so. Schließlich lebt die Bloggerszene davon, aus ganz unterschiedliche Blogs zu bestehen, das macht sie bunt und abwechslungsreich.
Alles darf – aber nichts muss.
Und was heißt das für meinen Blog?
Und deswegen wird es hier auch weiterhin Artikel darüber geben, wie du dein Blog an der ein oder anderen Stelle verbessern kannst – weil ich gerne über solche Themen schreibe und weiß, dass es da draußen jede Menge Menschen gibt, denen das Herumschrauben am Blog ebenso viel Spaß macht wie mir. 😉
Was sich für mich in den letzten Wochen geändert hat? – Meine Einstellung zum Bloggen.
Seit wir im Frühling das Grundstück gekauft haben und unser Projekt Hausbau immer mehr Konturen annimmt, seit wir parallel zu unseren Vollzeitjobs für die Hochzeit so unheimlich viel organisiert und geplant haben… seitdem habe ich gemerkt, dass ich mein Blog zwar unheimlich gern führe – aber dass ich mich damit nicht noch zusätzlich unter Stress setzen will.
Ich muss nicht vom Bloggen leben, und wenn meine Zugriffszahlen nicht beständig um 10% anwachsen, geht die Welt davon nicht unter. Es ist okay, nicht jeden Tag die Statistiken in Google Analytics zu checken.
Nach wie vor blogge ich verdammt gern und mit jede Menge Herzblut, und wenn ich eure ganzen großartigen Kommentare lese, haut es mich regelmäßig vom Hocker, weil ihr der absolute Wahnsinn seid.
Ja, ich hatte Angst, das auf’s Spiel zu setzen. Die simple Formel „Mehr Posts = mehr Klicks = mehr potentielle Kommentare“ klingt ja sehr einleuchtend, und welchen Blogger deprimiert es nicht, wenn der Kommentarzähler bei 0 stehenbleibt?
Aber siehe da… auch wenn ich seit einigen Monaten nicht mehr fast täglich poste, sondern nur etwa zwei- bis dreimal pro Woche, sind die Statistiken nicht eingebrochen. Ganz im Gegenteil, die einzelnen Artikel werden sogar eher häufiger gelesen als früher (klar, sie gehen halt auch nicht mehr so schnell in der Flut der neuen Beiträge unter). Danke dafür! 🙂
Daher wird sich hier jetzt eigentlich gar nichts ändern, sondern es eben so weitergehen, wie es sich in den letzten paar Wochen und Monaten einfach entwickelt hat. Alle paar Tage ein neuer Beitrag statt täglich, und wenn das gute alte Real Life stressiger wird, darf der Blog auch einfach mal einen Schritt zurücktreten, ganz ohne schlechtes Gewissen. Dafür kommen dann halt auch wieder die Phasen mit mehr Postings – so ist halt das Leben. 🙂
Hast du schon etwas vom Slow Blogging Movement mitbekommen?
Was hältst du davon?