Wie du bessere BeitrÀge schreibst, wenn das Drumherum stimmt:
Neulich las ich die Autobiographie des Malers Wolfgang Beltracchi und sah mir danach auch die Dokumentation „Beltracchi â Die Kunst der FĂ€lschung“ an. BerĂŒhmt geworden ist der Kölner nĂ€mlich durch seine grandiosen KunstfĂ€lschungen der groĂen Meister.
Da blĂ€ttern die Leute Tausende von Euro fĂŒr ein Bild hin und finden es groĂartig… aber sobald sie erfahren, dass es sich um eine FĂ€lschung handelt, sehen sie das ganze Bild auf einmal mit anderen Augen. Behaupten, dass es gar keine „Aura“ habe… auch wenn sich das Bild an sich doch gar nicht verĂ€ndert hat, bloĂ ihr Wissen um seine Entstehung. VerrĂŒckt, oder?
Was mich zu der Frage fĂŒhrt: steht ein Kunstwerk – ob nun gemalt, fotografiert oder eben auch ein Text wie ein Buch oder, etwas profaner, ein Blogartikel – einfach fĂŒr sich? Oder spielt es irgendwie auch eine Rolle, unter welchen UmstĂ€nden etwas entstanden ist?
Haben die UmstÀnde einen Einfluss auf BlogbeitrÀge?
Vor einiger Zeit verriet Carolin von Coralinart in einem sehr offenen Beitrag, warum sie in ihrem Blog nie Outfitbilder zeigt oder nicht an Bloggertreffen teilnimmt: weil sie von Spinaler Muskelatrophie (SMA) betroffen ist. Was bedeutet, dass sie auf einen Rollstuhl angewiesen ist und, wie sie neulich in einem Interview mit Valeria Anna erzĂ€hlte, ihren Laptop nur mit einem Daumen bedient. Das stelle ich mir unglaublich mĂŒhselig vor und seitdem lese ich ihre BeitrĂ€ge in einem anderen Licht. Einfach weil ich weiĂ, dass sie einen Artikel nicht mal eben so flott herunter tippt.
Seit die Bloggerwelt in den letzten Jahren immer professioneller geworden ist, sind auch die AnsprĂŒche an die Artikel gestiegen. Frei von Rechtschreibfehlern mĂŒssen sie natĂŒrlich sein, mit einem gewieften Storytelling dahinter und illustriert mit perfekt ausgeleuchteten Fotos. Wer da nicht mithĂ€lt und ĂŒber spĂ€rliche Besucherzahlen seufzt, der bekommt schnell mit einem NaserĂŒmpfen zu hören: selber Schuld, gib dir halt mehr MĂŒhe!
Ich finde es ungerecht, jemanden so abzuurteilen. Man weiĂ doch selten, wie die Welt hinter dem Blog aussieht, unter welchen LebensumstĂ€nden so ein Beitrag entstanden ist. Vielleicht hat die Verfasserin mit Legasthenie zu kĂ€mpfen, oder schreibt vielleicht mĂŒde und vollkommen erledigt nach einem anstrengenden Tag. Hat womöglich kein Geld fĂŒr eine gescheite Kamera oder einfach kein Geschick, perfekt aussehende Kekse zu backen (ha! ich weiĂ, wovon ich spreche! đ ).
Ein bisschen mehr WertschĂ€tzung wĂŒrde da allen gut tun, hmm?
Insofern denke ich schon, dass es einen Einfluss auf Blogposts hat, wann und wo sie entstehen.
Was im Umkehrschluss bedeutet:
Das richtige Setting verhilft dir zu besseren Artikeln.
Da wir Menschen alle unterschiedlich ticken, gibt es vermutlich nicht das perfekte Setting. Je nach Vorlieben ist das bei jedem anders – die einen brauchen Ruhe, um sich konzentrieren zu können, den anderen fĂ€llt bei Stille die Decke auf den Kopf und ihre Gedanken flieĂen besser aufs Papier bzw. die Tastatur, wenn im Hintergrund Musik oder Fernseher laufen.
Auf jeden Fall ist es aber hilfreich, wenn du dir bewusst Gedanken darĂŒber machst, in welcher Umgebung du am liebsten bloggst und was du brauchst, um dich dabei wirklich wohlzufĂŒhlen und produktiv sein zu können:
#1 -Die Uhrzeit
Bist du so wie ich ein frĂŒher Vogel oder arbeitest du lieber bis spĂ€t nachts? Fallen dir die besten Ideen vielleicht beim Nachmittagskaffee ein? – Wenn du dich zur „falschen“ Uhrzeit zum Bloggen trittst und dann hundemĂŒde dem Cursor beim Blinken zuschaust, ist es schwer, in den berĂŒhmten Flow zum Schreiben zu kommen.
#2 – Der Ort
Zuhause am Schreibtisch oder gemĂŒtlich auf dem Sofa? In einem CafĂ© oder im Zug auf dem Weg von A nach B? – Eigentlich kannst du ja von fast ĂŒberall aus bloggen.
Ich selber arbeite am liebsten in Ruhe daheim an meinem Schreibtisch. Da lenkt mich einfach nicht so viel ab, was meine Gedanken abschweifen lassen wĂŒrde. Musik höre ich dabei auch nur ganz selten und wenn, dann ziemlich leise. Gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit mag ich indirekte Beleuchtung, zĂŒnde ein paar Kerzen an und genieĂe das gemĂŒtliche DĂ€mmerlicht.
Vielleicht ist so eine Abgeschiedenheit aber auch gar nichts fĂŒr dich? Dann probier doch mal aus, dich zum Bloggen in ein CafĂ© zu setzen oder teste einen Co-Working Space, wenn es so etwas in deiner NĂ€he gibt.
Die AtmosphĂ€re sollte einfach so beschaffen sein, dass du dich wohlfĂŒhlst und keinem negativen Stress ausgesetzt bist.
Vor der Pandemie saĂ ich als Pendlerin morgens und abends je eine Dreiviertelstunde in der Bahn. Theoretisch hĂ€tte ich diese Zeit zum Bloggen nutzen können. Praktisch fĂ€nde ich es aber irgendwie… weird, wenn ich an so einem Blogeintrag herumtippe und mir dabei meine Mitreisenden unter UmstĂ€nden auf den Bildschirm starren und mitlesen, bevor ich fertig bin. đ Geht das noch jemandem so?
#3 – Hunger, Durst, Pipi.
Wenn ich mich auf die Arbeit oder halt das Bloggen konzentriere, blende ich solche körperlichen BedĂŒrfnisse weitestgehend aus. Manchmal merke ich dann erst nach zwei, drei Stunden, dass ich eigentlich totalen Durst habe und mich unterbewusst abgehetzt habe, um bloĂ schneller fertig zu werden und mir endlich etwas zu trinken zu holen. Nicht gerade die optimale Voraussetzung fĂŒr einen wohlformulierten Beitrag – zumal FlĂŒssigkeitsmangel zu nachlassender Konzentration fĂŒhrt.
Deswegen habe ich fast immer etwas zu trinken neben mir stehen. Ein paar Kekse dann und wann schaden als Motivationsbooster ĂŒbrigens auch nicht. đ
Ăhnliches gilt auch fĂŒrs Frieren oder Schwitzen – wer kennt das nicht, im Sommer bei 30°C im Schatten eigentlich viel zu trĂ€ge zum Arbeiten zu sein? Also nicht zu viel heizen und nicht zu wenig – und ab und zu durchlĂŒften, um fĂŒr einen frischen Schwung Sauerstoff zu sorgen.
#4 – ZeitnĂ€he
Klingt ein bisschen komisch als Wort, gibt’s laut Duden aber. Was ich damit meine: je mehr Zeit du zwischen etwas Erlebtem und dem entsprechenden Blogeintrag verstreichen lĂ€sst, desto schwieriger wird es, mitreiĂend und vor allem emotional darĂŒber zu schreiben.
Einen Monat nach einem Konzert ist einfach nicht mehr so viel ĂŒbrig von der Magie des Abends; im Sommer ĂŒber Weihnachtsstimmung zu texten fĂŒhlt sich falsch an, und die vielen wundervollen kleinen Begebenheiten aus dem Urlaub hast du nach ein paar Wochen gröĂtenteils schon wieder vergessen, weil seitdem so viel neues Zeug passiert ist.
Also versuch am besten, so bald wie möglich deine EindrĂŒcke festzuhalten. Zeitnah zu bloggen, ist ĂŒbrigens noch aus einem anderen Grund sinnvoll: am Tag nach einem Event werden sich viel mehr Leute fĂŒr einen entsprechenden Artikel interessieren als drei Wochen spĂ€ter
#5 Andere Tabs beim Schreiben – Fluch oder Segen?
Bisweilen drĂŒcke ich Cmd + T schneller, als ich ĂŒberhaupt weiĂ, was genau ich in dem neuen Tab ĂŒberhaupt nachgucken wollte. đ Und auch so habe ich meistens fĂŒnf bis zehn andere Tabs offen, wo ich zwischendurch dieses oder jenes nachsehe. Das kann hilfreich und praktisch sein – oder dich tierisch vom Artikel ablenken.
Mich selbst nervt es total, wenn ich Details nicht mal eben schnell recherchieren kann. Ich bin ja so eine kleine Perfektionistin, die dann halt wissen will, ob sie den Namen von xyz auch wirklich richtig geschrieben hat, wie viele Kilometer zwischen diesem und jenem Ort liegen und was genau denn nun der Unterschied zwischen Rotwild und Damwild ist. Soll ja nicht heiĂen, dass hier jemand am Ende noch etwas Falsches lernt. đ
Als ich vor einigen Jahren lĂ€ngere Zeit im Krankenhaus verbrachte, hatte ich jede Menge Zeit totzuschlagen und habe dann halt auch den ein oder anderen Blogeintrag begonnen oder weitergeschrieben. Was bedeutete: da mein mobiles Datenvolumen schon arg in Mitleidenschaft gezogen war, investierte ich in einen WLAN-Zugang – yay! Nicht. Das war uuuuunglaublich laaaaaahm und ich hatte dauernd Angst, dass das Speichern der Artikel im Nirvana enden wĂŒrde. Letztlich habe ich mir die EntwĂŒrfe dann lokal kopiert und dort weitergeschrieben, offline, quasi isoliert im Exil. :o)
Ăberall da, wo ich noch etwas nachgucken oder recherchieren musste, habe ich dann halt notgedrungen ein ??? eingefĂŒgt. SpĂ€ter war das herzlich umstĂ€ndlich, wenn ich fĂŒr eigentlich fertige Artikel so Flickenteppich-mĂ€Ăig noch dieses oder jenes nachtragen muss. Vor allem merkte ich selber, dass ich gar nicht mehr so richtig im Thema drin war, nicht mehr so viel Bezug zu dem Text habe wie noch beim ursprĂŒnglichen Schreiben.
Teste einfach mal aus, was dich produktiver macht und deinem Workflow mehr hilft: die stĂ€ndige VerfĂŒgbarkeit von Google & Co. oder zum Schreiben einfach mal offline zu sein, gerne auch ohne das Handy in der NĂ€he.
#6 Smartphone, Tablet, Rechner, … oder Papier?
Last but not least hat es natĂŒrlich auch einen Einfluss auf deinen Schreibfluss, welche Technologie du benutzt.
Ich kenne etliche Blogger, die auf ihr Smartphone schwören, um von ĂŒberall aus in Evernote oder in der WordPress-App ihre BeitrĂ€ge zu tippen. Mir persönlich ist das deutlich zu fuppelig und macht mir ĂŒberhaupt keinen SpaĂ – meiner Meinung nach geht nichts ĂŒber eine gescheite Tastatur.
Auf dem Tablet zu schreiben finde ich okay, im Zweifelsfall ist mir die haptische Komponente beim HerunterdrĂŒcken einer Taste dann aber doch lieber als diese glatte OberflĂ€che.
Wenn es allerdings ums Brainstorming geht, kritzele ich am allerliebsten mit einem Stift auf Papier herum! Da muss ich mir dann keine Gedanken ĂŒber Formatierung, das hakelige Verschieben von KĂ€stchen auf verschiedenen Ebenen und so weiter machen – ich kann einfach drauflos schreiben. FĂŒr ganze Texte hingegen schĂ€tze ich solche Funktionen wie Ausschneiden & EinfĂŒgen oder Cmd + Z aber doch sehr!
So oder so solltest du möglichst gar nicht darĂŒber nachdenken mĂŒssen, wie genau du deine Buchstaben da gerade zu Papier oder Pixel bringst und dich voll und ganz auf das Bloggen an sich konzentrieren können.
Fazit
Unter welchen UmstĂ€nden ein Blogbeitrag geschrieben wird, hat einen groĂen Einfluss auf seine QualitĂ€t. Diese verschiedene Faktoren wie Tageszeit, Ort oder UmgebungslautstĂ€rke beeinflussen dabei auch, ob dir das Bloggen SpaĂ macht oder dich eher stresst. Allerdings gibt es kein Patentrezept fĂŒr das eine richtige Setting, wir ticken ja schlieĂlich alle anders. Wenn du aber herausfindest, was du persönlich zum Kreativ- und Produktivsein brauchst, dann hilft dir das unglaublich viel weiter… nicht nur beim Bloggen!Wie ist das denn bei dir? Wann und wo bloggst du am liebsten?
Und wann gehen dir deine Artikel am leichtesten von der Hand?
Ein wundervoller Post. Ich kann auch nicht ĂŒberall Bloggen… Und vor allem eigentlich nur morgens. Lediglich bei Urlaubsberichten schreibe ich manchmal abends.
Also ich bin ja ein Fan von Handys, weil ich damit eben ĂŒberall tippen kann. Aber lĂ€ngere Texte gehen am Laptop doch leichter von der Hand. AuĂerdem habe ich gemerkt, dass ich z. B. am Roman an besten in der Bahn schreibe, fernab von Internet und netten Leuten.
Ach, und was die Sache mit den Tabs angeht: Kann ich auch, aber meist verwende ich inzwischen Platzhalter ala XXX und schreibe erst mal weiter. Vor allem in dem Roman.
Liebe GrĂŒĂe
Schreibst du dein Buch dann am Laptop in der Bahn? Das finde ich total spannend, mich lenken in der Bahn die ganzen GesprÀche der Mitreisenden und das Hin und Her an jedem Halt schon beim Lesen ab, da finde ich Schreiben noch viel herausfordernder.
Liebe GrĂŒĂe
Anne
Ein sehr gelungener Post!:) Ich schaffe es auch nicht ĂŒberall zu Bloggen, im Bett fĂ€llt es mir z.B total schwer! DafĂŒr geht es zum beispiel im Auto (natĂŒrlich nur wenn ich nicht gerade am Fahren bin) oder in der Bahn total gut!
Dein Arbeitsplatz gefĂ€llt mir sehr gut liebes đ
Ganz liebe GrĂŒĂe – Marlena von http://www.sparklingmind.de
Mit dem Laptop im Bett komme ich beim Bloggen auch nicht weit… irgendwie bin ich da nicht im „Arbeitsmodus“ und gucke viel lieber Tutorials auf YouTube oder einen Film. ^^
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Ich hab deine Frage einfach mal in einen post auf meinem Blog beantwortet :*
Wie cool! Hast schon einen Kommentar dazu, Liebes. <3
Ich hab auch so meine blogging Rituale. Am liebsten blogge ich meine Texte wenn ich an einen Tag Zeit habe und mir dann eben auch einfach Zeit lassen kann. Dabei blogge ich Nachmittags und Abends am liebsten, gerne bei einer Tasse Tee oder einer heiĂen Schoki und eben ganz ohne Druck. Wenn ich nur ein StĂŒndchen Zeit hĂ€tte, wĂŒrde ich erst gar nichts zustande bekommen… da ich auch vorher immer andere Blogartikel lesen mag um in die richtige Stimmung zu kommen.
Tippen kommt fĂŒr mich nur an meinem Schreibtisch in Frage, die WohlfĂŒhlatmosphĂ€re muss einfach stimmen. DafĂŒr brauche ich eben meine Sachen, mein Chaos und auch meine Ordnung. Was das zeitnahe bloggen angeht, bin ich leider so gar nicht fix. In dem Punkt bin ich tatsĂ€chlich einfach eine lahme Socke xD
Lieben GruĂ
nossy
Das klingt super gemĂŒtlich bei dir! Das mit dem Lesen der anderen Blogs geht mir auch so – Feedly ist immer meine erste Anlaufstelle, ehe ich irgendwann meinen eigenen Blog öffne. đ
Ich habe leider selten so viel Zeit am StĂŒck, deswegen entstehen meine BeitrĂ€ge meistens in Etappen – morgens vor der Arbeit ein StĂŒndchen, am nĂ€chsten Tag weiter, am Wochenende dann der Rest und so weiter. Zu lange am StĂŒck mag ich nicht am Schreibtisch sitzen, da lege ich auch am Wochenende gerne mal einen Hundespaziergang oder so als Unterbrechung ein.
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