Deine Leser ansprechen: „du“ oder „ihr“?
Vielleicht machst du es unbewusst. Vielleicht mal so und mal so. Und vielleicht fragst du dich, was eigentlich besser ist: solltest du deine Leser in der Mehrzahl ansprechen, also „ihr“ schreiben, oder lieber „du“?
Ich selber habe lange Zeit „ihr“ verwendet, ohne weiter darüber nachzudenken. Da du als Blogger in der Regel von mehreren Lesern Kommentare erhältst und nicht nur von einem, ist das ja irgendwie naheliegend. Zudem adressieren die allermeisten Blogs ihre Leser im Plural, sodass man es einfach gewöhnt ist.
Seit einigen Wochen bin ich allerdings dazu übegegangen, in der „du“-Form zu schreiben. Und warum? – Dazu schauen wir uns mal ein paar Hintergründe an. 🙂
Was es mit dir als Leser macht, wenn „ihr“ verwendet wird
Stell dir vor, du liest ein Rezept oder ein Tutorial.
„Vermischt als nächstes alle Zutaten, dann knetet sie zu einem Teig“, oder „Öffnet die Datei page.php und scrollt bis zu Zeile 134“.
Welche Assoziation hast du dabei? – Genau, es gibt eine Art Lehrer, der alles erklärt, und eine mehr oder weniger große Gruppe von Schülern, die die Anweisungen befolgt. Frontalunterricht. Urgh.
Und wie ist es hiermit? „Vermische als nächstes alle Zutaten, dann knete sie zu einem Teig“, „Öffne die Datei page.php und scroll bis zu Zeile 134“.
Eine 1:1-Beziehung. Ein Mensch, der ein Problem hat (in dem Falle du, weil du erfahren möchtest, wie du diesen unheimlich leckeren Kuchen backen kannst), und ein Mensch, der genau dir dabei hilft. Coach statt Frontalunterricht.
Das ist viel individueller und netter, oder?
Klar, letztlich erfährst du in beiden Fällen das, was du wissen willst. Der Kuchen wird so oder so gut und dein Layout kannst du mit Hilfe beider Formen ändern. Aber es geht um die unterbewusste Wirkung, die der Schreibstil auf dich hat.
Darauf gehe ich weiter unten noch näher ein. 🙂
Was es mit dir als Blogger macht, wenn du „ihr“ verwendest
Okay. Du hast also ein Thema im Kopf und beginnst, in die Tasten zu hauen. An wen denkst du dabei, während du schreibst? Vermutlich an niemand Konkretes. Du sitzt halt an deinem Schreibtisch und lässt deinen Artikel gleich auf eine mehr oder wenige anonyme Leserschaft los.
Bist du mal bei einem Konzert oder einer Aufführung auf einer Bühne gestanden? – Du weißt, dass das Publikum direkt vor dir ist, aber weil es im Saal meistens dunkel ist und du selber im hellen Scheinwerferlicht stehst, erkennst du die Gesichter nicht wirklich, allenfalls in den ersten beiden Reihen. Du trittst also vor einem weitestgehend unbekannten Publikum auf, auch wenn du vermutest, dass zum Beispiel deine Clique da sein wird, weil sie eigentlich immer kommt.
Deine Clique sind deine Stammleser, die regelmäßig kommentieren und bei denen du dir relativ sicher sein kannst, dass sie auch diesen Artikel lesen werden. Aber wer das sonst noch so lesen wird, weißt du nicht.
Und was machst du, wenn du auf der Bühne stehst? Du performst für alle – für deine Clique, für die mit der Dauerkarte, für die Gelegenheitsbesucher, für die anwesende Presse und und und – und am Ende wartest du halt auf die Reaktion des Publikums. Darauf, wer einen Kommentar schreibt.
Das ist eine ganz andere Einstellung, als wenn du einer Freundin eine Matheaufgabe erklärst und dabei im Hinterkopf hast, welchen Wissensstand sie ungefähr hat. Übertragen auf ein Rezept oder eine Bastelanleitung heißt das: wenn du für alle schreibst, weißt du nicht, wo du den einzelnen Leser abholen musst. Weiß er, worauf man beim Bedienen einer Nähmaschine achten muss? Kennt er die Abkürzungen, die du verwendest?
Das direkte Ansprechen über die „du“-Form hilft dir, individueller auf deine Leser einzugehen. Dir zu vergegenwärtigen, dass „da draußen“ ein konkreter Mensch mit all seinen Fragen und Gedanken und Meinungen vor seinem Monitor sitzt und deinen Artikel lesen wird – nicht nur irgendeine diffuse Menge.
Finde deine Zielgruppe
[Tweet „Wer für alle schreibt, schreibt für niemanden.“]
Über diesen klugen Satz bin ich neulich gestolpert. Du kannst es nicht allen Lesern Recht machen: die einen wünschen sich mehr Beiträge aus Kategorie A, die anderen finden genau die langweilig und lieben dafür deine Artikel über Thema B. Die einen sind professionelle Webdesigner und gähnen (bzw. klicken sich weg!), wenn du erläuterst, was der Unterschied zwischen HTML und CSS ist. Den anderen schwirren dicke Fragezeichen über dem Kopf, wenn sie bei Blogger plötzlich ohne weitere Erklärung einen Code einfügen sollen, und womöglich schließen sie deinen Blog überfordert und frustriert und kommen so schnell nicht wieder.
Allen kannst du es einfach nie Recht machen. Aber du kannst deine Zielgruppe identifizieren und genau für die schreiben. Finde heraus, welche Probleme deine Zielgruppe hat, und finde Lösungen dafür. Wenn deine Leser total auf deine Reiseberichte abfahren und dir mit ihren begeisterten Kommentaren die Bude einrennen, während der Mascara-Test unkommentiert vor sich hin verstaubt… dann ist das ein klares Zeichen. Mehr Reiseberichte, bitte! Investiere deine Zeit in das, was sich lohnt, wo du Rückmeldungen bekommst.
Auf den ersten Blick verlierst du damit zwar potentielle Leser – in dem Fall die riesige Menge von Leuten, die Mascara benutzen und womöglich Blogberichte darüber lesen. Aber du gewinnst konkrete, treue Stammleser, von denen dein Blog letztlich mehr hat. Nämlich eine Beziehung.
Warum du eine Beziehung zu deinen Lesern brauchst
Ich persönlich freue mich sehr, wenn sich durch das Bloggen Bekanntschaften und Freundschaften ergeben. Wenn jemand regelmäßig bei mir mitliest und kommentiert, so wie ich umgekehrt Stammleser und -kommentator auf dem anderen Blog bin.
Vorhin habe ich mit dem Besten, der selber kein Blogger ist, über dieses „du vs. ihr“-Thema gesprochen. Und was meinte er? Dass ihm das Duzen von Ikea wahnsinnig auf den Senkel geht, weil er es aufdringlich findet und vollkommen unpassend für eine Geschäftsbeziehung. Schließlich will er dort Regale kaufen und keine Freundschaften. Da ist eindeutig was dran. 😉
Mit Blogs verhält es sich allerdings anders. In der Blogosphäre ist das „du“ einfach normal, und in den allermeisten Fällen geht es bei Blogs auch nicht darum, etwas verkaufen zu wollen. Es geht darum, gelesen zu werden. Ein Blog ohne Leser ist schließlich irgendwie witzlos, oder?
Es gibt Tausende von Blogs, alleine in der deutschsprachigen Blogosphäre. Selbst wenn du über ein Nischenthema schreibst, führst du höchstwahrscheinlich nicht den einzigen Blog darüber. Mal ganz zu schweigen davon, wie es bei populären Kategorien wie Lifestyle- oder Beautyblogs aussieht.
Die „Konkurrenz“ ist einfach immens. Und Konkurrenz meine ich hier nicht im negativen Sinne, der mit Neid und unfairem Verhalten einhergeht. Es ist einfach nur so, dass die Anzahl von Bloglesern mehr oder weniger begrenzt ist und dass diese nicht unendlich viel Zeit haben, um alle möglichen Blogs zu besuchen, sich zu merken und wiederzukommen.
Du brauchst also etwas, was dich aus der Masse hervorstechen lässt (guter Inhalt!) – und etwas, was aus einem Besucher einen Stammleser werden lässt. Und hier schließt sich der Kreis.
Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir ticken einfach so, dass wir Beziehungen zu anderen Menschen brauchen. Genau aus diesem Grund tragen 90% aller Frauenzeitschriften einen Frauennamen – weil sie wie eine Freundin (ha! noch ein Titel!) wirken wollen. Eine Freundin mag man, eine Freundin geht auf einen ein und hilft, einer Freundin ist man treu.
Mit Blogs ist das so ähnlich: unterbewusst macht es einen Unterschied, ob ich als einer von vielen Lesern wahrgenommen werde, als anonymer Teil einer Menge… oder ob mich ein Blogger persönlich anspricht. Ob er einen Haufen Artikel anbietet und ich mir halt das raussuche, was mich interessiert, oder ob da jemand tatsächlich mein Problem löst, auf meine Fragen antwortet.
Wie gesagt – am eigentlichen Inhalt ändert die Anrede natürlich erst einmal nichts. Wenn du spannende, hilfreiche oder lustige Artikel schreibst, gewinnst du in beiden Fällen Stammleser. Auch wenn du im Artikel „ihr“ verwendest, wirst du auf einzelne Kommentare vermutlich mit „du“ antworten. Auch in der „ihr“-Form kannst du konkrete Probleme lösen.
Aber deine Leser schon im Beitrag persönlich anzusprechen, ist sozusagen das i-Tüpfelchen beim Aufbauen einer Beziehung.
[Tweet „Deine Blogleser persönlich anzusprechen, ist das i-Tüpfelchen beim Aufbauen einer Beziehung.“]
Wie gesagt, früher habe ich immer in der „ihr“-Form gebloggt. Vor einigen Wochen bin ich dann zum Duzen übergegangen, nachdem ich beim Lesen auf anderen Blogs mal darauf geachtet habe. Und ich habe festgestellt, dass ich seitdem im Schnitt mehr Kommentare erhalte und auch öfter Rückmeldungen per Mail. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen. 🙂
Und du?
Sprichst du deine Leser über „du“ oder „ihr“ an? Bewusst?
Was findest du als Leser besser?